„Er bekommt aber doch nur ein Ei pro Woche.“ Immer wieder höre ich solche und ähnliche Kommentare von Papageien- & Sittichhaltern über die Vergabe von Leckerbissen an ihre Vögel. Wir lieben unsere Vögel. Das zeigen wir ihnen, in dem wir sie verwöhnen. Aber ist das wirklich gut für unsere Papageien & Sittiche oder schaden wir Ihnen damit?
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Leckerbissen sind nicht immer ideal
Jetzt ist es leider oft so, dass das was unsere Papageien und Sittiche am liebsten mögen, nicht unbedingt auch das Gesündeste für sie ist. Aber, denken wir uns, es ist ja nur ein bisschen. Das wird schon nicht schaden. So beruhigen wir die kleine meckernde Stimme in unserem Hinterkopf, die uns sagt, dass das, was wir da als Leckerbissen geben vielleicht nicht wirklich ideal ist.
Es ist tatsächlich so, dass die Ernährung von Papageien & Sittichen weitestgehend unerforscht ist. Insbesondere über die Langzeiteffekte verschiedener Nahrungsmittel, beziehungsweise deren Inhaltsstoffe, wissen wir wenig.
Auffallend ist dabei, dass Papageien & Sittiche, die vom Tisch gefüttert werden, oftmals besser ernährt sind, als solche, die reines Vogelfutter bekommen. Wie das sein kann erkläre ich gleich noch.
Lass uns erst einmal über Papageien- und Sittichernährung an sich reden.
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Die Ernährung von Papageien & Sittichen
Aufgrund mangelnder Informationen, nehmen wir Ernährungsstudien von Menschen und Tieren - dann meistens von Nutztieren - und gehen davon aus, dass die Erkenntnisse auf unsere Vögel übertragbar sind. Oft scheint das auch zu funktionieren. Aber es gibt spektakuläre Ausnahmen zu dieser Annahme.
Avocados und Schokolade sind tödlich
Wir wissen zum Beispiel aus traurigen Gründen, dass Avocados und Schokolade Inhaltsstoffe enthalten, die nicht nur ein bisschen ungesund sind, sondern deren Verzehr tödlich für den Vogel ausgehen kann.
Salz: Ohne geht nicht, aber zu viel ist gefährlich
Wir wissen auch, dass Vögel, da sie nicht schwitzen, Salz nicht gut ausscheiden. Deshalb besteht bei salzhaltigen Leckerbissen, wie zum Beispiel Chips, die Gefahr einer Salzvergiftung. Andererseits ist aber auch bekannt, dass Papageien und Sittiche in der freien Wildbahn Lehmlecken aufsuchen, um Salz gezielt aufzunehmen. Ganz ohne geht nämlich auch nicht.
Eiweiß - anders als bei Menschen
Wir wissen auch, dass der Eiweiß-Stoffwechsel bei Vögeln anders ist als bei Menschen. Eine zu hohe Eiweiß-Aufnahme kann zu Gicht und anderen Problemen, wie zum Beispiel Rupfen führen. Andererseits sind Eiweiße lebenswichtige Bausteine beim Aufbau neuer Zellen und auch deren Reparatur. Zusätzlich beeinträchtig Eiweißmangel das Immunsystem.
Leckerbissen sind ein Teil der Ernährung
Das sind jetzt nur ein paar Beispiel. Natürlich wirft das eine Menge Fragen für besorgte und bemühte Papageien- und Sittichhalter auf, die es unbedingt richtig machen wollen. Schließlich wissen wir, dass für jedes Lebewesen - und sogar Pflanzen - eine angemessene Ernährung die Grundlage für die Gesundheit ist. Und dazu gehören eben auch Leckerbissen.
Leckerbissen können die Vielseitigkeit erhöhen
Generell ist die Antwort auf die Ernährungsfrage: Giftiges muss natürlich unter allen Umständen vermeiden werden. Ansonsten gilt das die Ernährung abwechslungsreich und vielseitig sein sollte. Das führt uns zu den vermeintlich gesünderen Papageien und Sittichen, die Leckerbissen vom Tisch bekommen.
Natürlich erhalten solche Vögel weitaus mehr Nährstoffe als Tiere, die „klassisch“ mit einer Körnerfuttermischung ernährt werden. Körnerfutter als Ernährungsgrundlage ist keine gute Wahl. Körner beinhalten bei weitem nicht alle Nährstoffe, die deine Vögel benötigen, um gesund zu bleiben.
Im Mitgliederbereich gibt es eine Nährstofftabelle für Körner, wenn du dich weiter dazu informieren möchtest. Zusätzlich kannst du dir dazu auch meinen Podcast „Körnerfutter gut oder schlecht“ anhören. Er erklärt das Problem mit Körnerfutter etwas differenzierter. Und wenn du ein Rezept für eine vielseitige und ausgewogene Ernährung deiner Papageien und Sittiche möchtest, dann schau dir das Papageienmenü an.
Leckerbissen enthalten oft mehr Nährstoffe als Körnerfutter
Ein Vogel, der am Tisch mit Leckerbissen gefüttert wird, erhält also erst einmal mehr Nährstoffe als ein Vogel der nur Körner frisst. Aber wie gesund diese Fütterung ist, hängt natürlich extrem von der Ernährung des Menschen ab. Wenn du dich von Mettwurst- und Nutella-Broten ernährst, ist das etwas ganz anderes als wenn du bevorzugt gesunde Salate uns Gemüse isst. Ernährung ist eben nicht gleich Ernährung. Logisch.
Was ist denn jetzt mit den Leckerbissen?
Generell gilt bei der Ernährung. Schön abwechslungsreich und alles in Maßen. Also ist die Gabe von Leckerbissen erst einmal in Ordnung. Das Problem entsteht durch die Qualifizierung: „in Maßen“. Dieser Zusatz wird oftmals nicht wirklich berücksichtigt.
Wieso ist das - sogar bei einigermaßen gesunden Leckerbissen - problematisch?
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Leckerbissen können andere Nahrungsmittel verdrängen
Es gibt zwei Probleme damit. Unser Ziel ist wie bereits gesagt, eine ausgewogene und vielseitige Ernährung. Dabei kann unser Vogel natürlich pro Tag nur eine bestimmte Menge Nahrungsmittel zu sich nehmen. Sonst biegt sich irgendwann die Sitzstange durch. Wenn er ständig zu viel Frisst, wird er fett werden. Klar.
Leckerbissen führen zu einseitiger Ernährung
Wenn also eine Menge eines wenn auch gesunden Leckerbissens gefressen werden, bleibt weniger Raum für andere Nahrungsmittel. Die Ernährung wird also zwangsläufig weniger ausgewogen. Denn der Leckerbissen verdrängt andere Nahrungsmittel. Das führt zu einem Mangeln an den Nährstoffen, die in diesem Leckerbissen nicht enthalten sind.
Unmengen an Leckerbissen können problematisch sein
Das andere Problem ist die Menge. Selbst wenn ein Leckerbissen in kleinen Mengen gesund oder wenigstens nicht allzu ungesund ist kann sich das bei entsprechender Menge ganz schnell ändern. Ein wenig Salz, zum Beispiel, benötigt der Organismus. Bei zu viel Salz stirbt dein Vogel.
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Wieviel Leckerbissen sind zu viel?
Doch wieviel ist denn nun zu viel Leckerbissen? Pauschal gibt es dafür keine Antwort, da bislang noch keine Studien darüber gemacht wurden, welche Mengen von welchen Nahrungsmitteln bei welchen Papageien über welchen Zeitraum welche Wirkung haben.
In Ermanglung einer wissenschaftlichen Aussage zu diesem Thema, kannst du jedoch einen kleinen Realitätscheck durchführen, der dir hilft, die Menge besser einzuschätzen. Dann wird dir dein gesunder Menschenverstand oftmals sagen, „das geht gar nicht“.
Wie machst du das?
Der Dreisatz für Leckerbissen
Erinnerst du dich an den Dreisatz aus der Schule? Den nehmen wir zu Hilfe. Damit kannst du ausrechnen, wie viel des Leckerbissens du vertilgen müsstest, um - auf deine Körpergröße bezogen - die gleiche Menge zu dir zu nehmen wie dein Vogel.
Nehmen wir als Beispiel einen Papagei mit Gewicht 500g, wie zum Beispiel ein Graupapagei oder eine Amazone. Und nehmen wir an, dass du 50kg wiegst.
Leckerbissen auf den Menschen umrechnen
Als Nächstes rechnest du aus, wie dein Vogel von seinem Körpergewicht her in dich hinein passt. Damit das funktioniert, musst du bei den Gewichten die gleichen Einheiten benutzen. Sonst stimmen die Dezimalstellen nachher nicht. Du musst also dein Gewicht in Gramm und nicht in Kilogramm anwenden.
Das soll heißen, wenn du 50kg wiegst, dann ist dies dasselbe wie 50000g. Also 50kg mal 1000g/kg sind 50000g.
Wieviel größer bist du?
Dann teilst du dein Gewicht in Gramm durch das Gewicht deines Vogels. Also 50000g (dein Körpergewicht) durch 500g (das Körpergewicht deines Vogels) = 100. Dein Vogel passt also 100 Mal in deinen Körper.
Um das Gleiche zu dir zu nehmen wie dein Papagei aus meinem Beispiel, müsstest du also das 100-fache desselben Leckerbissens zu dir nehmen.
Leckerbissen erscheinen kleiner als sie sind
Das ist nämlich genau das Problem mit den Leckerbissen für unsere Papageien und Sittiche. Wir sind eben viel, viel größer als unsere Vögel. Deshalb erscheinen uns die Leckerbissen oft so winzig. Dabei vergessen wir, dass unsere Vögel auch vergleichsweise winzig sind und vertun uns mit den Mengen. Was uns wie ein kleines Bisschen erscheint, ist für unseren Vogel oft genug eine Riesenmenge.
Ich höre ziemlich häufig, von Haltern, dass ihre Papageien pro Woche „nur“ ein Ei bekommen. Ich zucke dann jedes Mal. Wenn der Halter 50 kg wiegt und sein Vogel die 500g aus unserem Beispiel. Dann ist das so, als ob der Halter jede Woche 100 Eier ist. Wiegt der Halter 75kg entspricht das 150 Eiern und bei 100kg 200 Eiern.
Realitätschecks helfen bei der Beurteilung
Dass dies nicht gerade wenig ist, sagt uns unser gesunder Menschenverstand sofort, nachdem wir es in Bezug zu unserem eigenen Gewicht gesetzt haben. Das ist das Schöne an solchen Realitätschecks. Sie veranschaulichen uns bestimmte Dinge in Maßstäben, mit denen wir sofort etwas anfangen können. Dies erleichtert unsere Beurteilung erheblich.
Wenn ich das erkläre, kommt dann häufig als Antwort. Mein Vogel frisst ja nicht das ganze Ei.
„Ach, ja? Wieviel frisst er denn? Die Hälfte? Das wären immer noch 50 Eier. Ein Viertel? Sind 25 Eier.“
Fände dein Arzt die Leckerbissen in Ordnung?
Das ist immer noch viel zu viel. Dein Arzt würde entsetzt aufschreien, wenn du ihm erzähltest, dass du jede Woche 25 Eier isst. Oder? Wieso sollte das also für deinen Vogel in Ordnung sein?
Diese Rechnung kannst du natürlich auch auf Flüssigkeiten anwenden. Nehmen wir dieses mal als Beispiel einen Halter, der 87 kg und einen Graupapagei, der 497g wiegt. Dieser Graupapagei bekommt jeden Tag beim Frühstück am Tisch eine Teelöffelchen Kaffee als Leckerbissen. Also eine wirklich kleine Menge. Ein Teelöffel fasst 5ml Flüssigkeit.
Magst du die Rechnung mal alleine versuchen? Dann halte den Podcast jetzt an, beziehungsweise lies diesen Artikel erst einmal nicht weiter ...
Ok, was war dein Ergebnis? Hast du es ausgerechnet?
87kg Körpergewicht des Halters entsprechen 87000g. Geteilt durch 497g ergibt einen Halter, der 175 mal so groß ist wie sein Vogel. Mal 5ml sind 875ml - also ungefähr 4,5 Tassen Kaffee für den Vogel. Was sagt dir dein gesunder Menschenverstand dazu?
Realitätscheck auch für kleine Papageien
Diese Rechnung funktioniert natürlich auch mit ganz kleinen Papageien wie zum Beispiel Wellensittichen. Nehmen wir als Beispiel einen Durchschnittswelli, der 40g auf die Waage bringt. Dieser Wellensittich bekommt am Tag fünf Sonnenblumenkerne. Sein Halter wiegt 70kg.
Wie vorher ermitteln wir zuerst, wie oft der Vogel in den Halter passt. 70kg sind 70000g, geteilt durch 40g sind 1750 mal. Das multiplizierst du mit 5 Sonnenblumenkernen pro Tag. Der Halter müsste 8750 Sonnenblumenkerne pro Tag zu sich nehmen. Wetten, dass der Halter dann bald genauso fett wäre, wie sein Wellensittich?
Interessant oder? Ich hoffe, ich konnte dir mit meiner Rechnerei jetzt ein wenig die Augen über Leckerbissen öffnen. Und dass du jetzt in der Lage bist, selbst kurz zu überschlagen, ob du einen Vögeln mit ihren Leckerbissen eventuell doch ein bisschen zu viel des Guten tust.
Wenn Rechnen nicht so ganz dein Ding ist, dann kannst du natürlich auch den Leckerbissenrechner in der Vogelschule-Akademie verwenden.